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  Matthias Berg

Bundessieger beim Wettbewerb "Jugend musiziert" 1981, Stipendiat der Heinrich-Strobel-Stiftung des Südwestfunks, Träger des "Prix Spécial de Classique" beim Internationalen Hornwettbewerb im französischen Toulon und des Regio-Förderpreises der Wirtschaft am Oberrhein für "künstlerisches Talent und hervorragende Leistungen". 2 Solo-CDs, Mitwirkung bei Rundfunk-, Fernseh- und Plattenproduktionen, Solo-Konzertreisen durch die USA, Kanada, Japan, und weite Teile Europas, vier Jahre lang I. Hornist des "Jungen Philharmonischen Orchesters Stuttgart", Ensemblemitglied und -begründer in einem Duo, zwei Trios, einem Hornquartett und einem Blechbläserquintett, Dozent bei nationalen und internationalen Kursen.

Der musikalische Lebenslauf des freischaffenden Hornisten und Pädagogen Matthias Berg (42) ist ebenso lang wie beeindruckend. Er selbst geht damit ganz locker um, wiegelt eher ab: "Das läppert sich so zusammen." Und damit, dass er mit 11 Goldmedaillen bei Paralympics und Weltmeisterschaften im Skifahren und in der Leichtathletik und als 39-facher Deutscher Meister auch noch einer der erfolgreichsten Behindertensportler der Welt ist, geht er auch nicht unbedingt hausieren. Matthias Berg kam 1961 als Contergan-Kind zur Welt. Beide Arme sind verkürzt, an jeder Hand fehlen zwei Finger.

Karin Berg-Kotterba gehört zu jenen weltweit 7.000 Müttern, die zwischen 1959 und Mitte 1961 das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan einnahmen, ein Medikament, von dem später bekannt werden sollte, dass es den Fötus schädigt, wenn es zwischen dem 21. und 36. Tag nach der Empfängnis eingenommen wurde – einem Zeitpunkt, zu dem eine Frau meistens noch gar nicht weiß, dass sie schwanger ist. "Auch wenn die Mütter objektiv betrachtet gar keine Chance hatten", so Matthias Berg, "werden viele wohl mit dem Selbstvorwurf ringen, dass sie das Mittel eingenommen haben." Dennoch ist Matthias’ Mutter mit der Behinderung ihres Sohnes sehr offensiv umgegangen.

"Ich habe die ersten 10 Jahre meines Lebens in der Nähe von Detmold zugebracht, da kannte mich jeder", erzählt Matthias Berg. "Meine Mutter hat mich überall mit hingenommen und im Geschäft auf die Ladentheke gesetzt, damit mich jeder gut sehen und sich an mich gewöhnen konnte." Für die Eltern, beide Musiker, war klar, dass auch Matthias, ebenso wie sein älterer Bruder Thilo und später seine jüngere Schwester Juliane, ein Instrument spielen soll, vorausgesetzt, der Junge will. Er wollte. Aber was? Bei der Posaune muss man den Zug ziehen, eine Trompete hochhalten, eine Geige mit langem Bogen streichen, die Tasten eines Klaviers sind unendlich weit. Die Wahl fiel schließlich auf das Horn, das für den damals Sechsjährigen bei der Instrumentenbaufirma Finke in Vlotho-Exter umgebaut wurde: "Die Originallänge wurde beibehalten, aber die letzten 30 Zentimeter des Mundrohrs wurden anders gebogen, sodass ich es sitzend, auf dem Schoß, spielen konnte."

Als er zehn Jahre alt ist, nimmt der Vater Hans-Walther die Stelle als Leiter der "Bundesakademie für musikalische Jugendbildung" in Trossingen, eine Stunde südlich von Stuttgart gelegen, an. Die Familie zieht um. Für den Zehnjährigen ist es von nun an mit der Normalität vorbei: "Nicht nur, weil ich keinen Dialekt sprach, sondern auch, weil ich der einzige Behinderte war, der da rumlief."

Es dauert Jahre, bis er lernt, mit den Hänseleien der anderen, nicht nur der anderen Kinder, klar zu kommen: "Auch Erwachsene lebten an mir immer wieder ihren Sadismus aus." Anfangs fühlt er sich ausgeliefert und völlig hilflos, mit der Zeit legt er sich schließlich ein Repertoire an Schlagworten und Antworten zu, mit denen er immer dann kontert, wenn es darauf ankommt: "Je älter ich wurde, desto weniger hab’ ich sie gebraucht. Vielleicht auch deshalb, weil man sich an Größere nicht so leicht rantraut."

Als junger Erwachsener schwankt er zwischen Sport, Musik und Jura. Mit 22 Jahren hat er eine Einladung zum Probespiel beim Südwestfunk-Orchester als dritter Hornist und schneidet als Bester ab. Er nimmt die Stelle nicht an, weil er dann das Jura-Studium hätte abbrechen müssen.

Heute arbeitet Matthias Berg tagsüber als Verwaltungsjurist im Landkreis Esslingen. Er ist dort so genannter Erster Landesbeamter und Stellvertreter des Landrats. Und er übt jeden Abend konsequent eine Stunde: "Ich habe gelernt, mich selbst zu organisieren." Pro Jahr gibt er rund 30 Konzerte und ist dabei in der glücklichen Lage, nicht von der Musik leben zu müssen: "Ich nehme das als eine immer neue Herausforderung." Er liebt die bunte Mischung, mal als Solist auf Tournee, mal im "Berg Trio" mit seiner Schwester Juliane und Pianist Aziz Kortell auf der Bühne oder in einem großen Konzertsaal, um dort mit einem Rundfunkorchester eine Produktion einzuspielen.

Der Mann, der seit 2000 mit seiner Frau Christina in Möglingen bei Ludwigsburg lebt, hat nie erlebt, dass seine Behinderung als eine Art Bonus unter Musikerkollegen verstanden wurde: "Bei einem Neuen will man eigentlich immer nur wissen, wie der spielt und wo der steht." Beim Publikum, so Berg, merke er schon, dass das Interesse größer sei: "Die sehen mich und denken sich: ‚Jetzt bin ich mal gespannt, wie der das macht’." Im Grunde sei das aber eher ein Vorteil: "Die Leute sind aufmerksamer und haben eine höhere Bereitschaft, hinzuhören." Sein vielleicht bestes, weil ehrlichstes Publikum besteht aus Kindern und Jugendlichen: "Ich besuche öfter Schulklassen. Die Schüler sind immer sehr interessiert und stellen anschließend jede Menge Fragen – ohne jedes Tabu."

Veranstaltungen

2007
Festliches Abschlußkonzert (28. Mai)
 
Stand: 2007

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